Loyle Carner – Hugo

In Reviews von Eric

Innerhalb von zwei Alben ist Loyle Carner vom Geheimtipp zu einem der wichtigsten, wenn nicht dem wichtigsten Conscious-Rapper Großbritanniens aufgestiegen. Mit bekenntnisreichem, reflektierten Soul-Searching über Selbstzweifel, schwierige Beziehungen und natürlich die Liebe – aber nicht nur die romantischen Liebe, sondern auch die zur eigenen Mum.

Die Vorab-Singles seiner neuen, dritten LP zeigen Carner – bisher ungekannt – als kritischen, teils wütenden Poeten: „Hate“ beschreibt das Gefühl, in diesen Zeiten ein Schwarzer Brite zu sein, auf den sich die gesellschaftlichen Spannungen und Spaltungen konzentrieren bzw. die auf ihn projiziert werden. Es geht um Unsicherheiten, Machtverhältnisse und die daraus entstehende Frustration, oder wie der Londoner selbst sagt: „I was angry at the world, frightened and overwhelmed.“ In „Georgetown“ featurt er das Gedicht „Half-Caste“ des afro-guyanesischen Dichters John Agard, das sich mit rassistischen Begrifflichkeiten auseinandersetzt und für Carner großen Einfluss bei der Anerkennung von sich selbst als mix-raced hatte. Auch „Nobody Knows (Ladas Road)“ setzt sich mit seiner Herkunft auseinander und dem Gefühl, nirgends richtig dazuzugehören.

Doch es gibt auch zartere, persönlichere Tracks, in denen sich Carner hauptsächlich mit seiner Rolle als junger Vater auseinandersetzt – sei es in „Polyfilla“ mit den Problemen von dysfunktionalen bzw. abwesenden Vätern; oder in „A Lasting Place“ mit der unmöglichen Mission, ein perfekter Elternteil sein zu wollen.

Die begleitende Musik sollte man bei aller lyrischen Wirkmacht aber nicht vergessen, denn der Mix aus old-schooligen HipHop-Beats und Piano-Loops, aus Gospel-Chören und Jazz-Drums, aus sehnsüchtigen Synthies und funky Bass ist ebenso fesselnd.

Carner hebt mit „Hugo“ seine Kunst auf eine höhere Ebene, vor allem wegen seiner kraftvollen Lyrics, die jetzt gesellschaftliche Verhältnisse und Missstände sowie die eigene Rolle darin reflektieren, als junger Vater mit Mixed-Race-Identität. Sein gekonnter, entspannt-einnehmendem Flow wird auch mal dringlich-wütend, was seinem Vortrag neue Facetten verleiht. Ein persönliches wie politisches Manifest, ein großes Statement.

Tracklisting

  1. Hate
  2. Nobody Knows
  3. Georgetown (feat. John Agard)
  4. Speed Of Plight
  5. Homerton (feat. JNR Williams & Olivia Dean)
  6. Blood On My Nikes (feat. Wesley Joseph & Athian Akec)
  7. Plastic
  8. A Lasting Place
  9. Polyfilla