Drangsal – Zores

In Reviews von Eric

Max Gruber alias Drangsal ist jetzt da, wo er immer hinwollte. Raus aus seinem Heimatkaff Herxheim, dafür anerkanntes und gut vernetztes Mitglied der Berliner Musikszene. Vielleicht deshalb ist die Wut und die Unzufriedenheit – oder wie man in Grubers pfälzischer Heimat sagt, der Zores –, die noch sein Debütalbum „Harieschaim“ dominierten, weniger geworden. Auch der dunkle New-Wave/Gothic-Sound ist poppiger geworden und nun vor allem in der Nähe der mondänen Melancholie von The Cure und The Smiths zu verorten. Dazu kommt, dass Gruber nun vornehmlich auf Deutsch singt, seit jeher eine schwierige Popsprache. Da wirkt Wut oft platt.

Dennoch – oder deswegen – weiß „Zores“ mehr zu überzeugen als der Vorgänger. Zusammen mit den Produzenten Markus Ganter und Max Rieger hat Drangsal einen direkteren, zugänglicheren und luftigeren Sound entwickelt, der mehr Ebenen und mehr Anknüpfungspunkte bietet als der Erstling. Beispielhaft dafür steht der Einsatz eines Kinderchores bei „Und Du? (Vol. II)“.
Ansonsten flechten sich in Gitarren, Schlagzeug und Bass immer wieder Orgelklänge und Synthesizermotive und sorgen so mal für eine träumerische, mal für eine nachdenkliche Stimmung. Drangsals musikalische Vorbilder sind in den Songs immer wieder klar heraus zu hören, sei es die „There Is A Light That Never Goes Out“-Gitarre in „Und Du? (Vol. II)“, Jimmy Eat Worlds Emo-Rock in „Weiter nicht“ oder das Zitat von Prefab Sprouts „Cars And Girls“ in „Jedem das Meine“: „Ja, ja Brucie träumt life’s a highway / Doch bin ich nur Beifahrer und das day after day“. Und es stimmt, bei „Turmbau zu Babel“ klingt Grubers Stimme tatsächlich wie so oft behauptet nach Farin Urlaub.

Textlich reflektiert Drangsal zwischenmenschliche Beziehungen, eigene Unsicherheiten und emotionale Aufgewühltheiten, hin und wieder auch in schlageresken Reimen à la „Baby sag mir wann fängt das Leben an?“ („Laufen lernen“). Am interessantesten wird es aber, wenn Gruber die lyrischen Pferde durchgehen und schön-seltsame Textzeilen herauskommen wie: „Gegen die Decken meines Schädels schlägt ein Spalier junger Mädels […], gegen die Wände meines Herzens halten hundert junge Jungs heiße Kerzen.“

„Zores“ ist insgesamt ein künstlerischer Schritt nach vorne für Drangsal, vom reinen Zitatpop des Debüts zu zwar immer noch zitatreichen, aber doch eigenständigeren Songs.

Tracklisting

  1. Eine Geschichte
  2. Jedem das Meine
  3. Und Du? (Vol. II)
  4. Magst Du mich (Oder magst Du bloß noch dein altes Bild von mir)
  5. Sirenen
  6. Turmbau zu Babel
  7. Weiter nicht
  8. Laufen lernen
  9. Arche Gruber
  10. Gerd Riss
  11. All The Poor Ships At Sea
  12. ACME