Tame Impala – The Slow Rush

In Reviews von Eric

Ein nerdiger Typ mit Vorliebe für schwurbelige Psychedelia schafft aus Versehen eines der Konsensalben der letzten Jahre und findet sich plötzlich auf der Grammy-Nominierungsliste, in Arenen und als Headliner auf Festivalbühnen wieder. So lässt sich kurz die Geschichte von Tame Impala und ihrem Mastermind Kevin Parker seit Veröffentlichung des letzten Albums „Currents“ zusammenfassen.

Auf etwaigen Druck für den Nachfolger reagierte Parker auf zweierlei Weise: 1. Zeit lassen (fünf Jahre hat es bis zu „The Slow Rush“ gedauert); 2. das spielen, was man kann.
Die LP zitiert wieder gekonnt den psychedelischen Soft-Rock der 1970er-Jahre und kleidet ihn in ein raffiniertes, jetziges Klanggewand. Das jedoch wie nie zuvor mit dem Pop flirtet. Dabei hilft, dass sich der Australier in den vergangenen Jahren als Produzent für HipHop- und Pop-Größen wie Kanye West und Lady Gaga einen Namen gemacht hat.

Die Produktion, die die Songs fast physisch greifbar macht, ist herausragend, ebenso wie der Aufbau und Einsatz der abwechslungsreichen Instrumentierung. Wie schon auf „Currents“ zieht Parker die klanglichen Möglichkeiten von Synthesizern den Gitarren vor – und wenn er diese einsetzt, dann stark effektbeladen. Das Ergebnis ist ein komplexer, entgrenzter, gleichzeitig aber melodiöser, üppiger und wirkungsvoller Sound.

Als Hörer*in gibt es unheimlich viel zu entdecken auf diesem Album, sei es eine Panflöte bei „Borderline“ (dem unmittelbarsten Hit der LP), eine Supetramp-Orgel bei „It Might Be The Time“, ein Daft-Punk-Zitat bei „Breathe Deeper“ oder ein Justice-Riff bei „One More Hour“. Die Stücke wirken alle dicht, ätherisch und außerweltlich. Auch wenn nicht alle Songs gleich stark begeistern, schafft der Mann aus Melbourne eine insgesamt berauschende Hörerfahrung – bei einer Spielzeit von fast unter einer Stunde keine einfache Aufgabe.
In den dazugehörigen Texten betreibt Parker entweder einen Kampf gegen die eigenen Zweifel und/oder reflektiert die vergangenen Jahre: „Wanna tell you ’bout the time I was in Abbey Road. Or the time that I had Mick Jagger on the phone.“

In der Verbindung von Prog-Rock-Metaphysik, psychedelischer Flächigkeit, HipHop-Beats und Club-Grooves sind Tame Impala einzigartig. „The Slow Rush“ beschallt die Disco von Station Clavius auf der dunklen Seite des Mondes.

Tracklisting

  1. One More Year
  2. Instant Destiny
  3. Borderline
  4. Posthumous Forgiveness
  5. Breathe Deeper
  6. Tomorrow’s Dust
  7. On Track
  8. Lost In Yesterday
  9. Is It True
  10. It Might Be Time
  11. Glimmer
  12. One More Hour