Jack Garratt – Love, Death & Dancing

In Reviews von Eric

Jack Garratt bewies geradezu prophetische Fähigkeiten, als er sein neues Album noch vor dem großen Corona-Lockdown als „dance music for people who don’t want to go out“ bezeichnete. Nachdem viele Leute nun zwangsweise ihre Wohnung in ihren persönlichen Club und ihr Wohnzimmer in ihren Dancefloor verwandeln müssen, wenn sie tanzen (gehen) möchten, kommt „Love, Death & Dancing“ also gerade recht.

Mit dem Erfolg seiner 2016er Debüt-LP „Phase“ konnte der Brite nur schwer umgehen – er nennt sie rückblickend „clever bullshit“ – und fiel in ein tiefes Loch, begleitet von Angstzuständen und Selbstmordgedanken. Der Umgang mit dieser Zeit und diesen Gefühlen prägt seinen Zweitling, die Zusammenarbeit mit den Produzenten Jacknife Lee und James Flannigan halfen Garratt, seinen Groove und sein Selbstbewusstsein wiederzuerlangen.
„The album was written from the point of view of someone who has a functioning sadness“, erklärt der 28-Jährige, „who has had his day-to-day depressions and anxieties that have influenced the decisions he’s made. The album is about that functionality, that day-to-day battle, conversation, tug of war.“

Einen großen Teil seiner Wirkung hat die Platte Garratts außergewöhnlicher bluesig-souliger Stimme zu verdanken, die emporschnellt und wieder herabstößt, Verzweiflung genauso transportieren kann wie Verzückung. Zweifel, dass das, was er singt, nicht aus seinem tiefen Selbst kommt, hat man während des Lauschens seiner Performance nie.

Die Musik spiegelt und ergänzt die vorgetragenen Texte, ausbrechende multiinstrumentale Kraft, zweifelnde Ruhe und manische Energie wechseln sich ab, aber natürlich eingehegt in die glänzenden Standards zeitgemäßer Popproduktion. „Time“ eröffnet das Album mit allerlei computergeneriertem Geklöppel, in das immer wieder eine Arpeggio-Gitarre à la Don Henley hineinfährt. „Return The To The One“ und „Anyone“ erinnern an der Elektro-R’n’B von S O H N. „She Will Lay My Body On The Stone“ überzeugt als Klavierballade. Aber der Musiker geht öfter auch Pop-all-in, etwa bei „Better“ oder „Mend A Heart“.

„If I can take something to make me feel better than I’m feeling now“, singt Jack Garratt an einer Stelle, passend zur derzeitigen Situation. Zu diesem Album ein bisschen im Wohnzimmer herumzuspringen, sollte sicher helfen.

Tracklisting

  1. Time
  2. Mara
  3. Return Them To The One
  4. Better
  5. Get In My Way
  6. Mend A Heart
  7. Circles
  8. Anyone
  9. Doctor Please
  10. She Will Lay My Body On The Stone
  11. Old Enough
  12. Only The Bravest