King Krule – The Ooz

In Reviews von Eric

Das London, das Archy Marshall alias King Krule in seinen Stücken besingt, ist ein Moloch, der von der Postkarten-Big-Ben-Idylle ungefähr so weit entfernt ist wie Theresa May von guter Politik – er nennt es „city of parasites“. Schon sein Debütalbum „6 Feet Beneath The Moon“ von 2013 war ein Fanal der Wut, Traurigkeit und Perspektivlosigkeit der britischen Jugend. Der Nachfolger knüpft daran an und zeichnet ein düsteres Bild einer zersplitterten Gesellschaft, die sich im Stadtleben spiegelt und manifestiert.

In „The Ooz“ lässt sich das lyrische Ich durch South London treiben und teilt seine Beobachtungen, seine Gedanken und seine Gefühle mit. Selten linear, eher sprunghaft und emotionsgeladen. Die Musik entspricht dieser Stream-of-Consciousness-Erzählweise, indem sie Stile, Genres und Zeiten miteinander verschmilzt. Versatzstücke von Dubstep, Indierock, Folk, HipHop und Jazz werden zu einem Soundtrack der urbanen Vereinsamung, Paranoia und Schlaflosigkeit verwoben. King Krule kündet von der persönlichen Einsamkeit und der Abwesenheit von Liebe, scheut sich aber auch vor sozialkritischen Lesarten nicht. Dabei streift er mit nervöser Ruhelosigkeit von jazzigem TripHop („Biscuit Town“) zu Pubrock-Boogie („Dum Surfer“) zu schrägem Britpop („Emergency Blimp“) zu James-Blake-artigem Post-Dubstep („Czech One“).

Bei allem lyrischen und musikalischen Umherstreifen fällt es nicht immer leicht, King Krule über 19 Stücke fokussiert zu folgen. Doch sie behalten immer eine Intensität, was sie vor allem der Stimme des Briten zu verdanken haben. Diese wirkt in einem Moment brutal und im nächsten fast zärtlich. Ein Bariton zwischen Joe Strummer und Tom Waits, der viel zu alt erscheint für ein blasses, rothaariges Bürschchen Anfang 20. Und mit dieser Stimme kaut er seine Worte, bevor sie halb gesungen, halb gesprochen aus seinem Mund kommen.

Der Titel „The Ooz“ bezieht sich laut Marshall auf die ganzen Körpervorgänge und -produkte, über die man am liebsten gar nicht nachdenken will. Also Rotz, Spucke, Pisse, Scheiße, die durch unser aller Körper fließen. Und sie fließen auch durch und unter all den Städten, in denen wir leben. Doch trotz all des Ekels und des Elends hat King Krule sie noch nicht komplett aufgeben, weder die Menschen, noch die Stadt: „Slipping into filth, lonely but surrounded. A new place to drown six feet beneath the moon.“ Wenn wir schon in der Scheiße ersaufen, dann hoffentlich nicht alleine.

Tracklisting

  1. Biscuit Town
  2. The Locomotive
  3. Dum Surfer
  4. Slush Puppy
  5. Bermondsey Bosom (Left)
  6. Logos
  7. Sublunary
  8. Lonely Blue
  9. Cadet Limbo
  10. Emergency Blimp
  11. Czech One
  12. (A Slide In) New Drugs
  13. Vidual
  14. Bermondsey Bosom (Right)
  15. Half Man Half Shark
  16. The Cadet Leaps
  17. The Ooz
  18. Midnight 01 (Deep Sea Diver)
  19. La Lune