Foto: Morten Andersen / George Stavrou
Madrugada heißt übersetzt Morgengrauen, doch beim Haldern –Pop-Wochenende im August 2000 stehen die Norweger in der prallen Sommerhitze auf der Bühne. Während es sich die Festivalbesucher auf dem Rasen bequem machen, lässt der Gesang von Sivert Höyem die Außentemperatur noch weiter ansteigen. Mit Songs wie „Shine“ oder „Quite Emotional“ wird es auch ums Herz wärmer und bewahrt mit einer anschließenden Gänsehaut den Körper vor einer Überhitzung.
Seit dem ersten Album „Industrial Silence“ habe ich die Band nicht mehr aus den Augen verloren. Nach Madrugada blieb ich auch Sivert Höyem als Solokünstler treu. Und sein neues Bandprojekt Paradise weckt natürlich ebenfalls die Neugier, was die Herren Höyem, Ellis und McVey da zusammen schmieden. Eine interessante Musiker- Mischung aus Mitgliedern der Bands von Marianne Faithful und PJ Harvey ist es allemal. Kurz vor dem ersten gemeinsamen Auftritt beim Zermatt Festival in der Schweiz wird das Paradise um eine Frau erweitert und zwar um Simone Marie Butler, die sonst bei Primal Scream den Bass zupft.
Zu viert geht es auf eine kleine, intime Club-Tour durch Deutschland, bei der glücklicherweise auch ein Termin in Köln reserviert ist. Obwohl ich die Musik von Sivert Höyem / Madrugada schon lange verfolge, ist dieser besondere Abend im Blue Shell eine Art Blind Date. Die Songs der neuen Band bleiben unbekannt. Vorab gibt es nichts zu hören, nichts sickert durch, alles ist geheim und gut durchdacht. Obwohl es nach dem Schweizer Festival vom 7. April auch einiges anzuhören gibt, hält mein Wille, sich komplett überraschen zu lassen ,wirklich bis zum 19. April durch, um die Spannung auf den Abend nicht zu nehmen.
Das spektakuläre Intro zu Beginn lässt die Spannung im gut gefüllten Club weiter ansteigen. Dann heißt es: Welcome to Paradise! Die Band sucht sich den Weg durchs Publikum zur Bühne, im Anschluss folgt der Sänger. Alle sind gespannt was auf sie zukommt, denn niemand weiß genau was die nächste Stunde so bringt. Ein lautstarker Begrüßungsapplaus ist den Musikern jedenfalls sicher.
Mit schrillen Gitarrenklängen und einem treibenden Schlagzeug geht es temporeich in den paradiesischen Abend. Die unbekannten Songs lassen die Zuschauer stumm, niemand singt wie sonst bei Konzerten üblich ist mit. Es dauert nicht lange und die Anwesenden bewegen sich zum Beat der Musik und nicken mit den Köpfen zum Rhythmus.
An diesem Abend bleibt Sivert Höyem gitarrenlos und widmet sich mit vollem Körpereinsatz nur dem Gesang. Und das alles ganz nah an der Bühne, ohne Abstand zu seinen Fans.
Es ist laut, treibend, es bleibt kaum Zeit zu Luft holen. Die Stimme ist überall einsetzbar, auch für die härtere Variante, die schon zu Madrugada-Zeiten angestimmt wurde. Als die ersten Songs abgerockt sind, mischt sich eine Pianoballade in die lautstarke Dröhnung. Hier blinzelt die altbewährte und liebgewonnene melancholische Sinnlichkeit des Norwegers durch den massiven Klang der Nacht. Ein Stück mit dem Namen „Crying“ erweitert die Setlist mit einem zusätzlichen seichten Ton , welcher der Stimme ebenfalls gut steht. Doch auf Kuschelkurs ist die Band und Sivert Höyem nicht eingestimmt. Selbst das Aussehen ist mit Bart, aufgeknöpftem Hemd und zwei glitzernden Halsketten auf Rockstar getrimmt. Die optisch aufgerockte Veränderung und das dick aufgetragene Gitarre spielen von McVey ist der einzige Schnörkel an der Show.
Zehn Stücken stehen auf dem Programm. „Wir sind eine neue Band und haben nur diese Songs“, so lautet die Aussage des Frontmanns. Insgeheim war es ironisch aufgefasst, doch bei dieser Ansage bleibt es und nach zehn Songs verabschiedet sich die Band mit einem positiven Eindruck. Nun heißt es abwarten, was die Zeit im Paradise noch so mit sich bringt.