The Rolling Stones – Hackney Diamonds

In Reviews von Eric

Dass sich die Rolling Stones nach 60 Jahren Bandgeschichte noch einmal zu einem neuen Album mit Original-Songs – dem ersten seit 18 Jahren – aufraffen, überrascht. Dass sie es ausgerechnet gut zwei Jahre nach dem Tod von Schlagzeuger und Ruhepol Charlie Watts tun, umso mehr. „There would have been a Rolling Stones without Charlie Watts, but without Charlie Watts there wouldn’t have been the Rolling Stones“, zollt ihm Keith Richards Tribut.

Vielleicht wegen dieses einschneidenden Erlebnisses, das die Multimillionen-Dollar-Firma The Rolling Stones in ihren Grundfesten erschütterte, ist „Hackney Diamonds“ ein Werk über persönliche Beziehungen geworden. Über Wut, aber auch über das Weitermachen trotz Verlust, Rückschlägen und Niederlagen. Und natürlich über die Liebe.

Steve Jordan, der neue Drummer, wurde von einem kranken Watts (der tatsächlich noch bei zwei Songs zu hören ist) selbst als Ersatz ausgesucht. Und obwohl er sich sehr gut in den Stones-Sound einfügt, vielleicht ein bisschen rabiater drummt als Watts, wird er vom Namen her von anderen Gästen überragt: Paul McCartney spielt auf einem Stück Bass, Stevie Wonder bei einem anderen Klavier, und Lady Gaga steuert Backing Vocals bei. Den wichtigsten Beitrag leistete allerdings der 32-jährige Produzent Andrew Watt, der den typischen Blues-Rock-Sound der Stones – mit Richards‘ Riffs und Mick Jaggers exaltiertem Gesang – so vital klingen lässt wie noch nie in diesem Jahrtausend. Aber auch das Songwriting ist so stark wie seit Ewigkeiten nicht mehr – wenn sogar ein irre aufgepumptes, siebeneinhalb-minütiges Gospel-Rock-Stück wie „Sweet Sounds Of Heaven“ komplett zündet, weiß man, dass hier einiges/vieles/alles richtig läuft.

„Hackney Diamonds“ ist (angeblich) ein Londoner Slang-Ausdruck für die Scherben eingeschlagener Scheiben. Übertragen auf den Doppel-Nukleus der Band heißt das: Damit diese LP entstehen konnte, kitteten Jagger und Richards die ganzen Scherben, die in ihrer mehr als komplizierten Beziehung über die Jahre und Jahrzehnte entstanden sind, noch einmal. Dass der letzte Song schließlich ein Duett der Beiden von Muddy Waters‘ „Rolling Stone Blues“ ist, nachdem sich die Band ursprünglich benannte, wirkt dann fast schon zu kitschig (klingt aber großartig).

„This is a really in-your-face album“, beschreibt Gitarrist Ronnie Wood die Platte. Und dass das ein paar Um-die-80-Jährigen gelungen ist, ohne dabei peinlich, sondern sogar richtig gut zu sein, dafür kann man vor den Stones nur den Hut ziehen.

Tracklisting

  1. Angry
  2. Get Close
  3. Depending On You
  4. Bite My Head Off
  5. Whole Wide World
  6. Dreamy Skies
  7. Mess It Up
  8. Live By The Sword
  9. Driving Me Too Hard
  10. Tell Me Straight
  11. Sweet Sounds Of Heaven
  12. Rolling Stone Blues