Naomi Sample & The Go Go Ghosts – Robert Redford

In Reviews von Wolf

Nach langem Warten erscheint nun endlich das neue Album der bedeutendsten Band Lüneburgs. Sie hat den Ort nicht nur musikalisch geprägt. Auch das allgemeine Stadtbild wäre ein komplett anderes, hätten sich Naomi Sample & The Go Go Ghosts nicht als einzige 2016 erfolgreich gegen den Bau der Lüneburger U-Bahn eingesetzt. Selbst auf das Schaffen des örtlichen Brauhauses haben sie maßgeblichen Einfluss und ihr derzeitiges Anliegen, die viel diskutierte und lange fällige Zeitabschaffung, ist auf einem guten Weg, bald umgesetzt zu werden.

Trotz alledem sind sie auf dem Boden geblieben. Im Song „Backgammon“ thematisieren sie sogar offen, dass sie keine Menschen sind. So muss sich ihr Publikum in ihrer Gegenwart nicht so minderwertig fühlen. Der Kontakt zu ihren Fans ist nämlich sehr eng. Im Titel „Euro Stoxx 64 ETF Invest“ danken sie sogar persönlich allen Crowdfundern des Albums. Diese scheinen auch sehr finanzkräftig zu sein, denn außergewöhnlich lang ist der Song nicht.

Ein weiteres Beispiel für ihre große Fan-Nähe ist ihr Umgang mit unveröffentlichtem Material. Wo andere Bands mit großem Trara ihre B-Seiten und Demoaufnahmen als umfangreiche Raritätensammlungen veräußern oder gar als Sammlerstücke für überzogene Preise zum Record Store Day anbieten, gehen die drei sympathischen Lüneboys einen anderen Weg. Per QR-Code können sich die Besitzer der neuen CD sämtliches, seit dem Erscheinen des letzten, ersten, Albums entstandene Material gratis herunterladen. Und da das inzwischen 18 Jahre her ist, kommen hier auch sage und schreibe ganze einhundertsiebenundsechzig (in Zahlen 167) Tracks zusammen.

Wo sich das Werk anderer Künstler*innen häufig nur um sich selbst und überbewertete private Probleme wie Depressionen, verdeckten Narzissmus oder Liebe(skummer) dreht, machen NSATGGG (wie sie von ihren Anhängern der Einfachheit halber kurz genannt werden) auch vor den brennenden Themen des modernen sozialen Zusammenlebens keinen Halt, wie die Titel „Geizhals“ oder „Merkur Disc 1“ eindrücklich vermitteln.

Auch die musikalische Produktion ist, wie von ihnen gewohnt, das Nonplusultra des ihnen derzeit möglichen, wodurch die unike Stimme von Leadsänger Timmo hervorragend herausgearbeitet werden konnte und zur Geltung kommt wie nie zuvor. Sie trauen sich aber auch, Neues auszuprobieren und ihre musikalische Komfortzone zu verlassen. Der dramatische, autobiographische Song „Schlechte Erinnerungen an Musik“ klingt fast, als wäre er von Dr. Dre produziert. Aber hier ist natürlich alles selbstgemacht.

Nur in einem Punkt haben sie sich etwas zu weit aus dem Fenster gelehnt. Entgegen der gängigen Konventionen veröffentlichen Sie ihr neues Album an einem Sonnabend. Also einen ganzen Tag später als alle anderen Neuerscheinungen der Woche. Ein Statement, dass zu der regimekritischen Truppe passt, sie aber auch die entscheidenden Punkte bei der Chartauswertung kosten könnte.

Tracklisting

  1. 3 MCs, kein Talent
  2. Euro Stoxx 64 ETF Invest
  3. Backgammon
  4. Wer löscht den Kabelbrand?
  5. Geizhals
  6. Salmiak
  7. Merkur Disc 1
  8. Get up, Work, Sleep, Reset
  9. Nolde ist potthässlich
  10. Schlechte Erinnerungen an Musik
  11. Masturbation