Feist – Multitudes

In Reviews von Eric

Leslie Feists erstes neues Album nach sechs Jahren Pause nahm seinen Anfang im Hamburger Kampnagel. Im August 2021 führte sie dort eine „Multitudes“ genannte Produktion auf, die die Rollen zwischen Zuschauer*innen und Performer*innen verwischte. Das Publikum konnte entweder einfach zusehen oder seine Stimme in kollektiver Anonymität erheben. Dafür schrieb die Kanadierin neue Musik, die nun in angewandelter Form auf ihrer neuen LP zu hören ist.

Mit einem Bäng bzw. mit Pauken und Trommeln eröffnet „In Lightning“, bevor Feists wundervolle, weise Stimme willkommen heißt. Eine theaterwürdige Eröffnung! Danach geht es aber sehr intim weiter, mit einer bluesig-folkigen Reduktion in den Stücken, die so organisch und unmittelbar aufgenommen sind, als würde Feist mit ihrer Akustikgitarre im Raum nebenan sitzen und musizieren. Textlich geht es um seelische Introspektion als auch um das Auf und Ab der Liebe, wobei eine gewisse „Alters“weisheit hinzukommt (Feist ist 47): „Sometimes we don’t get to love who we are meant to.“

Die Songs sind alle wunderbar sepiafarben produziert, als wäre „Multitiudes“ ein zufällig auf einem Dachboden im Laurel Canyon entdecktes Album aus den 70ern. Hörbarer Einfluss ist logischerweise Joni Mitchell. Und als die gemütliche Gitarrenzupfigkeit fast ein wenig zu viel wird, rütteln das dunkel dröhnende „I Took All Of My Rings Off“ und das marschierende „Borrow Trouble“ genau an den richtigen Stellen wieder auf. Wie eine Theaterregisseurin schöpft Feist hier aus ihren oben genannten Erfahrungen und hält den Spannungsboden bis zum Ende aufrecht. Wir folgen ihr demütig.

Tracklisting

  1. In Lightning
  2. Forever Before
  3. Love Who We Are Meant To
  4. Hiding Out In The Open
  5. The Redwing
  6. I Took All Of My Rings Off
  7. Of Womankind
  8. Become The Earth
  9. Borrow Trouble
  10. Martyr Moves
  11. Calling All The Gods
  12. Song For Sad Friends