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Seit seinem Debütalbum „Love Remains“ (2010) paart Tom Krell alias How To Dress Well gefühlsbetonten bis erotisch aufgeladenen R´n´B-(Falsett-)Gesang mit gesplitterten Beats. Auch auf seinem aktuellen, vierten Album „Care“ ist der US-Amerikaner in seinen existenzialistischen Liebeser- und -bekundungen auf der Suche nach inneren Brüchen, Kratzern, Rissen und deren Heilmittel. Trotzdem ist „Care“ seine bislang poppigste und positivste Platte geworden. Krell hat einen Magisterabschluss in Philosophie und schreibt an seiner Doktorarbeit über Nihilismus und deutsche Philosophie im 18. und 19. Jahrhundert.
Soundmag: Alle deine Alben bislang sind voller starker Emotionen. Ist Musik eine Art kathartisches Werkzeug für dich?
Tom: Zu einem gewissen Grad vielleicht, aber das ist nicht der Hauptgedanke. Das Wichtigste ist, wie sich die Musik in meinem Körper anfühlt, wie sie sich beim Spielen anfühlt.
Soundmag: Deine ersten Alben schienen trauriger zu wirken, gespeist von unerwiderter Liebe. Nun, auf deinem aktuellen Album „Care“, singst du über die Liebe und wie es ist, sich um jemanden und auch sich selbst zu kümmern. Trügt der Schein oder ist das jetzt alles erwachsener? Ist die Feier des Liebeskummers ein Privileg der Jugend?
Tom: Nun, der Song „Lost Youth/Lost You“ dreht sich wirklich um Liebeskummer, genau wie „Burning Up“ – aber sie sind mit Sicherheit vor einem anderen Hintergrund vorgetragen. Meiner Meinung nach gibt es einen unüberwindbaren Infantilismus bzw. eine unüberwindbare Jugend im Herzen der menschlichen Psyche und ich glaube nicht, dass wir darüber je wirklich hinwegkommen.
Soundmag: Ist dauerhafte Liebe heute schwieriger zu finden? Stichworte Beziehungsunfähigkeit, Online-Dating, Tinder, …
Tom: Ich weiß nicht, ob es heute schwieriger ist als früher, weil ich nur heute lebe. Aber es fühlt sich auf jeden Fall merkwürdig an – gleichzeitig extrem leicht und extrem schwierig.
Soundmag: Deine Songs haben sowohl sexuelle als auch romantische Anspielungen. Wo siehst du Ähnlichkeiten und wo Unterschiede zwischen den beiden und wie balancierst du sie in deinen Songs aus?
Tom: Sex und Liebe sind für mich immer miteinander verbunden, aber die Kultur versucht ständig, sie voneinander zu trennen oder sie zu verwechseln. Musik ist eine sehr wichtige Möglichkeit, hier die Waage zu halten. Schau, ich singe über die Liebe seit meinem ersten Album „Love Remains“ – ein Song der Platte heißt sogar „My Body“. Ich denke in der Gegenwartskultur trennen wir immer noch Sex und Liebe, Hedonismus und Kümmern auf eine Art und Weise, die ich in meinem eigenen Gehirn und in meiner Musik wirklich zu bekämpfen versuche.
Soundmag: Spannung ist sehr wichtig für deine Songs, oder? Liebe und Einsamkeit, Geist und Körper, …
Tom: Ja, absolut. Vieles, was mich persönlich antreibt, bedeutet, auf der Hut zu sein und auf die Momente zu achten, wenn ich gegensätzliche Gefühle mit gleichem Druck oder gleicher Energie spüre. Ich versuche, diese Gleichmächtigkeit im Blick zu behalten. Ich möchte versuchen, zwei Gedanken, die sich zu widersprechen scheinen, zusammenhalten – diese Versuche sind für mich eine echte Quelle für kreative Energie und meine persönliche Entwicklung.
Soundmag: Wie wichtig ist dein Falsettgesang für die emotionale Wirkung deiner Songs?
Tom: Ziemlich wichtig, aber Abwechslung ist alles. Sie ist besonders wichtig für „Care“.
Soundmag: „Care“ scheint auch mehr Popambitionen zu haben als alle deine vorherigen Alben. Hast du dich mit diesem vagen Alternative-Label an dir unwohl gefühlt?
Tom: Ich mag alternative Musik, wenn sie eine echte Alternative zu ihrem Ursprung ist. Ich glaube auch, dass ich alternative Popmusik auf „Care“ mache. Das heißt ich versuche eine „Gegen-Musik“ zu Beyoncé, Gaga, Robin Thicke, etc. anzubieten.
Soundmag: Viele Artikel über dich betonen deinen intellektuellen Universitäts-Background und deine philosophischen Anspielungen. Aber wie beeinflusst das wirklich deine Musik?
Tom: Ich bewege mich in der akademischen Welt. Ich mag es zu lesen und nachzudenken. Und ich mag es auch zu singen.
Soundmag: Was ist dein liebstes Liebeslied?
Tom: Das ist „Hiders“ von Burial.
Soundmag: Und was ist dein liebstes Liebeskummerlied.
Tom: Das ist auch „Hiders“ von Burial.