Sam Vance-Law – Homotopia

In Reviews von Eric

Rechtlich stehen Homosexuelle mit der „Ehe für alle“ so gut wie noch nie da, dennoch nimmt (nicht nur) hierzulande der virtuelle und handgreifliche Hass gegenüber allem „Andersartigen“ – und damit auch Homosexuellen – zu. Sam Vance-Law entwirft als Kontrapunkt dazu auf seinem Debütalbum ein idealisiertes „Homotopia“, eine amüsante schwule Idealwelt jenseits von heteronormativen Zuschreibungen, in der (meist) keine Probleme herrschen.

Höchst eingängiger Kammer-, Dandy- und Twee-Pop dominieren den Erstling des in Berlin lebenden Kanadiers, angereichert mit orchestralen Streichern, Bläsern und Chören, so schönen Flöten-Sätzen wie seit Erlend Øyes „La Prima Estate“ nicht mehr, sowie durchaus zupackenden Gitarrenrock-Passagen. Referenzpunkte sind The Smiths, Magnetic Fields und The Divine Comedy genauso wie Belle & Sebastian, Rufus Wainwright und John Grant. Wer möchte, darf in den Arrangements auch die Handschrift von Konstantin Gropper alias Get Well Soon erkennen, der die LP koproduzierte. Seine Songs dominiert der Wahlberliner leichthändig mit seinem dandyhaften Bariton, von dem man sich gerne auch eine Oscar-Wilde-Geschichte vorlesen lassen würde.

Mit der Klavier-Miniatur „Wanted To“ geleitet Vance-Law sanft in das Album, um dann in „Let’s Get Married“ eine Reverb-Gitarre zu verwaschener Shoegaze-Instrumentierung folgen zu lassen. „Prettyboy“ wechselt bruchlos zwischen einer treibenden Indienummer und einem Chamber-Pop-Stück hin und her und berichtet von einem Jungen, der so schön ist, dass alle ihn wollen: die Mädchen und die schwulen Jungs und die straighten Jungs auch. Wunderbar ironisch wird er bei „Narcissus 2.0“: „Yes, I would sleep with myself, if I were just a bit younger. Yes, I would sleep with myself, if I were just a bit hotter.“ Durch „Gayby“ tänzelt er wie durch seine persönliche, rauschende Gatsby-Party.

Nur gegen Ende verdunkelt Vance-Law den Himmel seine „Homotopia“, wenn er im krachigen „Faggot“ (englisch für Schwuchtel) den fundamentalchristlichen Schwulenhassern einen mitgibt: „I love god, but he doesn’t love me, ’cause I‘m an unwilling conscript in hell’s army.“

Mit seinem Debütalbum ist Sam Vance-Law definitiv der Pop-Darling der Stunde. Und zwar für Alle, ob straight oder gay oder irgendetwas anderes.

Tracklisting

  1. Wanted To
  2. Let’s Get Married
  3. Prettyboy
  4. Narcissus 2.0
  5. Stat. Rap.
  6. Isle Of Man
  7. Gayby
  8. Faggot
  9. I Think We Should Take It Fast
  10. Bye Bye Baby